Der Hausverstand – eine philosophische Kritik

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Der Hausverstand – eine philosophische Kritik  -

Früher einmal, da war er die Leitfigur eines österreichischen Lebensmittelhändlers, heute wird er vor allem von konservativen Kräften bemüht: der Hausverstand – oder weniger umgangssprachlich ausgedrückt: der gesunde Menschenverstand.

Trotz oder vielleicht gerade wegen der Tatsache, dass wir in einer akademisierten und von Expertinnen und Experten bevölkerten Gesellschaft leben, schickt er sich an, zu einem neuen Qualitätsmaßstab menschlicher Verstandestätigkeit aufzusteigen. Immer häufiger beruft man sich auf ihn; nicht in geduckter Haltung, sondern mit dem Brustton der Überzeugung, erhobenen Hauptes. Aber taugt der gesunde Menschenverstand wirklich dazu, Urteile zu fällen, die der Komplexität moderner Lebenswelten gerecht werden? Liefert er uns tatsächlich wahre Einsichten in die jeweiligen Zusammenhänge, die wir unabhängig vom eigenen Standpunkt akzeptieren können, oder handelt es sich lediglich um eine Sammlung unreflektierter, sich aus individuellen Erfahrungen speisender Meinungen? Ist es ohne Übertreibung vernünftig, uns auf ihn zu verlassen oder sollten wir uns besser um Alternativen bemühen?

Macht man sich die Mühe, über den gesunden Menschenverstand nachzudenken, beruft man sich also nicht bloß auf ihn, so zeigt er sich, und zwar entgegen seinem ansonsten durchaus forschen Auftreten scheu. Man bekommt ihn nicht leicht zu fassen. Hat man gerade noch das Gefühl, ihm habhaft geworden zu sein, d. h., glaubt man eine zumindest einigermaßen deutliche Vorstellung davon zu haben, womit man es zu tun hat, so steht man im nächsten Moment schon wieder mit leeren Händen da. Doch die Ausbildung einer solchen Vorstellung, man könnte auch sagen, eines Begriffs des gesunden Menschenverstandes, ist eine unumgängliche Voraussetzung der Kritik. Man kann nur prüfen, was einem vertraut ist. Womit haben wir es also zu tun? 

Beginnen wir unsere Untersuchung im 18. Jh., dort, wo der gesunde Menschenverstand ins Zentrum reflektorischer Aufmerksamkeit rückt. Seither versteht man nämlich unter dem Begriff des gesunden Menschenverstandes das Vermögen, Sachverhaltserkenntnis und Handlungsorientierung in komplexen Zusammenhängen zu gewinnen, ohne dabei explizit auf rationale Operationen bzw. Verfahren zurückzugreifen. Noch deutlicher wird die Angelegenheit in der sogenannten ›Common-Sense-Philosophie‹, einer philosophischen Strömung dieser Zeit, die den gesunden Menschenverstand nicht nur als taugliches Erkenntnisvermögen in Alltagsdingen begreift, sondern ihn auch als Fundament philosophischer Theorien forderte. Für Thomas Reid, dem Begründer der Common-Sense-Philosophie, befähigt uns der gesunde Menschenverstand, die Wahrheit zu erkennen, und zwar nicht auf dem Umweg der Argumentation, sondern durch sofortige, intuitive Einsicht. Er beruht weder auf Ausbildung noch auf Gewohnheit, sondern ist naturgegeben. Man könnte vielleicht auch von einem robusten, nicht fehlerlosen, aber doch nicht allzu fehleranfälligen, bodenständigen, allen Menschen gleichermaßen gegebenen Erkenntnisvermögen sprechen. Fassen wir zusammen: Die Domänen des gesunden Menschenverstandes sind Sachverhaltserkenntnis und Handlungsorientierung. Er versetzt uns also nicht nur in die Lage, zu wahren Aussagen über die Welt zu gelangen, sondern erlaubt es uns auch, unser Handeln in ihr richtig zu bestimmen. Ein Novum des gesunden Menschenverstandes ist die Tatsache, dass er hierfür keinerlei rationaler Operationen bedarf, wie etwa der Operation des logischen Schließens oder des Abwägens von Gründen oder bestimmter anderer Operationen, wie sie beispielsweise in der Mathematik zu finden sind. Das wiederum liegt daran, dass der gesunde Menschenverstand – im Unterschied zu expliziten – eine implizite, nämlich intuitive Erkenntnisquelle darstellt. Die Intuition ist sicherlich seine mächtigste Waffe. Selbst manche Philosophen haben in der Intuition einen sicheren Erkenntnisstandpunkt zu finden geglaubt und nicht wenige philosophische Gedankengebäude fundieren ihre Grundsätze mithilfe intuitiver Einsicht. Tatsächlich verweist der Ausdruck ›Intuition‹ auf die Fähigkeit, Einsichten in Sachverhalte, Gesetzmäßigkeiten oder die Richtigkeit von Entscheidungen zu gewinnen, ohne Gebrauch des schlussfolgernden bzw. methodisch voranschreitenden Verstandes. Und eben deshalb scheinen solche Einsichten irrtumssicher. Denn wenn einem ein Ergebnis unmittelbar vor Augen liegt, wenn es sich einem sozusagen einfach aufdrängt, einfach da ist, vor allem Denken, das daran nichts ändern, nichts wegnehmen und nichts hinzusetzen kann, wenn man also gar keine Denkschritte gehen muss, um zu ihm zu gelangen, dann kann man auch keine Fehler machen.

Dieses »theoretische Bild« des gesunden Menschenverstandes deckt sich über weite Strecken mit dem, was wir auch im Alltag erleben. Es wird in mannigfaltigen Angelegenheiten darauf verwiesen, dass es keines besonderen Studiums bedarf, um dem jeweils Vorgelegten Herr zu werden, denn der gesunde Menschenverstand würde einem ja sagen, was hier der Fall ist und was nicht, was zu tun ist und was nicht, wer über den richtigen Standpunkt verfügt und wer nicht, wie die anstehenden Probleme zu lösen sind und wie nicht, wie sich jemand zu verhalten hat und wie nicht, worauf zu achten ist und worauf nicht, was vernünftig ist und was nicht, wie man seine Kinder zu erziehen hat und wie nicht, was Lehrer können müssen und was nicht, wie man erfolgreich wird und wie nicht, wie man gewinnt und wie nicht, was man kauft und was nicht usw. usf. Der gesunde Menschenverstand gleicht, so kommt es einem vor, einer Erkenntnismaschine, die uns allem Anschein nach ganz mühelos zu Einsichten verhilft, die wir uns andernorts nur mit erheblichem geistigen Aufwand abzuringen vermögen. Im Alltag wird er nicht nur akzeptiert, sondern geradezu als Qualitätsmerkmal menschlicher Verstandestätigkeit gehandelt; und nicht selten dient er dann auch als Standpunkt für Werturteile – mit oft negativem Gütebefund etwa im Hinblick auf akademische Erkenntnisgewinnung. 

Doch bei aller Selbstverständlichkeit: Ist es wirklich vernünftig, d. h. gibt es wirklich gute Gründe, dem gesunden Menschenverstand zu vertrauen? Ist er wirklich so gesund, wie er vorgibt zu sein? Taugt er tatsächlich dazu, uns die Welt und unser Handeln in ihr einsichtig, verständlich und nachvollziehbar zu machen? Oder ist er nichts weiter als eine Sammlung unreflektierter, sich aus individuellen Erfahrungen speisender, ad hoc zu vermeintlichen Erkenntnissen zusammenfallender Meinungen? – Ein Halbstarker, der sich mit dem überheblichen Stehsatz ›Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand‹ schon von vornherein gegen jeden Zweifel zu immunisieren sucht? Gleich vorweg: Weder die soeben gestellten Fragen noch ihre Antworten entspringen dem gesunden Menschenverstand. Einerseits, weil der gesunde Menschenverstand – und auch das scheint ihm eigen zu sein – sich nicht selbst hinterfragt, sondern gewissermaßen als Letztinstanz fungiert, und andererseits, weil es durchaus dem schlussfolgernden Denken bedurfte, ehe sich auskristallisierte, was nun vorgelegt werden soll, um dem gesunden Menschenverstand auf den »Zahn zu fühlen«:  Der Prüfstein der Unumstößlichkeit, der Prüfstein des dogmatischen Abbruchs und der Prüfstein des Begründungszusammenhangs.

Der Prüfstein der Unumstößlichkeit: Der Wert einer Erkenntnis liegt, neben der Erweiterung unseres Verständnishorizonts, in der relativen Unumstößlichkeit, die wir ihr zuschreiben. Seit dem berühmten Sokrates verbinden wir mit Erkenntnis bzw. Wissen, die Vorstellung einer gewissermaßen festen, unverrückbaren und für jedermann gültigen Einsicht in die Zusammenhänge der Welt. Dadurch unterscheidet sich Erkenntnis von bloßer Meinung. Das hat im Wesentlichen damit zu tun, dass Meinungen – im Unterschied zu Erkenntnissen – weder subjektiv noch objektiv gerechtfertigt sind. Das heißt, sie sind unbegründet. Unsere Meinungen stehen, anders als unsere Erkenntnisse, ohne sie fundierende Gründe da. Das merkt man sehr bald, wenn man sich angesichts eines Angriffs auf die eigene Meinung, der ja stets in einer Überprüfung ihres Gehalts besteht, auf einen dogmatischen, immunisierenden Standpunkt zurückzieht. Der Ausspruch ›Das ist nun einmal meine Meinung‹ beendet dann auch jede Prüfung und also auch jeden vernünftigen Diskurs. Tatsächlich befinden wir uns die meiste Zeit am Schlachtfeld der Meinungen, was sich bei kritischer Selbstbetrachtung ohne große Schwierigkeiten feststellen lässt. Der einzige Ausweg sind Gründe. Wir müssen uns Gründe geben; wir müssen unsere Auffassungen und Überzeugungen begründen. Nicht nur, um vernünftig miteinander reden zu können, sondern viel mehr noch, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Gründe sind im wahrsten Sinne des Wortes fundamental. Fehlen sie uns, bleiben uns sowohl ein gedeihlicher Diskurs, als auch ein Erkenntnisgewinn verwehrt. Betrachten wir daher zunächst die formale Struktur von Erkenntnis bzw. Wissen, um uns das Gesagte zu verdeutlichen und im Hinblick auf den gesunden Menschenverstand zuzuspitzen: Wenn eine Person (S) weiß, dass dieses oder jenes der Fall ist (p), dann gilt:

1) S ist überzeugt, dass p.

2) S hat gute Gründe für die Überzeugung, dass p.

3) p ist wirklich der Fall (d. h., es ist wahr, dass p).

Das sind die einzeln notwendigen und gemeinsam hinreichenden Bedingungen für Erkenntnis. Dass es sich hierbei nicht um eine willkürliche Bestimmung handelt, lässt sich im Detail zeigen. Der Einfachheit halber werde ich aber lediglich auf die zweite und für unsere Belange entscheidende Bedingung eingehen. Machen wir ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an, Paul steht vor einer Prüfung in Kunstgeschichte. Nehmen wir zudem an, dass Paul die Prüfung besteht, wenn er weiß, welcher bedeutende Architekt gemeinhin als strikter Ornamentgegner gilt. Paul bekommt also die Frage vorgelegt und denkt nach, grübelt, strengt sich an. Weil er aber von Architektur genau genommen wenig Ahnung hat, nur verschwommen ziehen ein paar Gedankenfetzen an seinem geistigen Auge vorbei, rät er und tippt auf Adolf Loos. Obschon die Prüfung hiermit bestanden ist, weil es sich bei dem Gesuchten in der Tat um Adolf Loos handelt, ist sie es wohl kaum deshalb, weil Paul wusste, dass es sich um Adolf Loos handelt, sondern deshalb, weil er zufällig richtig lag; weil er also zufällig zu einer wahren Überzeugung gelangte. Unter keinen Umständen würden wir ihm zugestehen wollen, dass er wusste, dass Adolf Loos der Architekt ist, der gemeinhin als Ornamentgegner gilt. Zufälligkeit widerspricht nämlich unseren Vorstellungen von Wissen zutiefst. Unverrückbarkeit bzw. Unumstößlichkeit sind mit dem Zufall nicht in Einklang zu bringen. Das legt nahe, vom Wissen Nicht-Zufälligkeit zu fordern. Eine Forderung, die letztlich nichts anderes verlangt, als die Rechtfertigung unserer Erkenntnis- bzw. Wissensansprüche durch die Angabe von Gründen. Wer in der Lage ist, seine Überzeugungen hinreichend gut zu begründen, der ist auf dem Weg zum Wissen schon ein gutes Stück vorangeschritten. Gerade hierin liegt nun aber ein gravierendes Problem des gesunden Menschenverstandes: Die Erkenntnisse, die er zutage fördert, entspringen ja – wie wir eingangs festgestellt haben – der Intuition, doch die Intuition liefert keine Gründe. Gründe ergeben sich uns nur auf dem Weg des Nachdenkens, des Abwägens, des Prüfens, des Schließens und Ausschließens. Im Unterschied dazu scheinen intuitive Einsichten ganz plötzlich und unwillkürlich in unserem Verstand aufzuschlagen. Die Intuition zeigt uns die Dinge und ihre Zusammenhänge ja unmittelbar, d. h. ohne einen Mittler. Wie aber lässt sich dies mit der so fundamentalen Forderung nach Gründen vereinbaren? Und könnte es nicht sein, dass die Einsichten des gesunden Menschenverstandes bloße Zufallsprodukte sind, dass wir manchmal richtig liegen, manchmal aber auch irren? Sollten wir in diesem Zusammenhang tatsächlich von Erkenntnissen reden, wenn doch ein Irrtum nie und nimmer Erkenntnis sein kann? Und es ist dann wirklich vernünftig, dem gesunden Menschenverstand blind zu vertrauen?

Der Prüfstein des dogmatischen Abbruchs: Die hinreichende Begründung unserer Auffassungen und Überzeugungen ist für unser Wissen über die Welt unerlässlich. Wir können sie nicht preisgeben, denn wir können nicht wollen, dass unser Wissen von Zufall und Irrtum regiert wird. Das ist nicht nur im Zusammenhang mit Wissenschaft einleuchtend, sondern auch im Zusammenhang mit alltäglichen Auffassungen und Überzeugungen. Der Prüfstein des dogmatischen Abbruchs hängt eng damit zusammen. Ein dogmatischer Abbruch ist ein auf Willkür beruhender Abbruch eines Begründungsvorgangs. Ein solcher Abbruch erinnert ein wenig an den Vorgang, vermittelst dessen wir bisweilen versuchen, den bohrenden Und-warum-ist-das-so-Fragen eines Kindes zu begegnen. Sie kennen das vielleicht: Egal, welche Antwort man gibt – postwendend wird man durch eine erneute Frage zur Begründung des soeben Gesagten aufgefordert, und zwar ad infinitum. Schon bald fehlt es einem an Antworten und erschöpft vom Fragefluss des Kindes bricht man die Unterredung schließlich ab, und zwar nicht selten mit den Worten: weil es eben so ist. Damit verdeutlicht man, dass das Gesagte keiner weiteren Begründung mehr bedarf. Wir sehen leicht ein, dass dieses Vorgehen erkenntnislogisch inakzeptabel ist: Die Willkür, die hier im Spiel ist, kann ganz unmöglich das Mittel der Wahl sein, wenn es darum geht, unsere Überzeugungen auf ein brauchbares Fundament zu stellen. Doch was den gesunden Menschenverstand betrifft, so scheint der dogmatische Abbruch geradezu an der Tagesordnung zu sein. Mit dem typischen, fast überheblichen Gestus des gesunden Menschenverstandes ›Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand‹ werden etwaige Aufforderungen nach Begründung weggewischt. Es bleibt auch gar nichts anderes über, denn die Intuition liefert ja bekanntlich keine Gründe. Stellt sich allerdings einerseits die Frage, ob wir uns darauf einlassen wollen und andererseits, ob wir es auch sollen.

Der Prüfstein der Entscheidungsfindung: Kommen wir abschließend zu einer vergleichsweise praktischen Frage, und zwar nach der Rolle des gesunden Menschenverstandes im Zusammenhang mit Handlungsorientierung. Seinen Verfechtern nach befähigt er uns ja nicht nur dazu, Sachverhaltserkenntnisse zu gewinnen, sondern auch unser Handeln sicher zu leiten. Um seine diesbezügliche Tauglichkeit prüfen zu können, müssen wir uns zunächst die Ingredienzien einer Handlung vor Augen führen. Handlungen sind nämlich komplexe Gebilde. Unter einer Handlung versteht man – einem weit gefassten Handlungsbegriff nach – Handlungsvorbereitung, Handlungsvollzug und Handlungsfolge. Zur Handlungsvorbereitung zählen das Anfangsmoment einer Handlung (Absicht, Wunsch), das Bestimmungsmoment einer Handlung (Wissen, Abwägung und Handlungsentscheidung) und der sich aus diesen Elementen herausbildende (Handlungs-)Wille. Auf ihn folgt der Handlungsvollzug. Zum Handlungsvollzug zählen neben physiologischen Akten auch bestimmte mentale Akte und Sprechakte. Zur Handlungsfolge endlich zählen alle wirklichen Resultate, wie immer diese auch ausfallen mögen. Für unsere Belange sind Anfangsmoment und Bestimmungsmoment einer Handlung von Interesse. Der Reihe nach: Die Conditio sine qua non einer jeden Handlung ist der Wunsch. In ihm zeigt sich nämlich erstmalig die geistige Vorwegnahme eines zu realisierenden Zustands. Mit anderen Worten: Ohne Wunsch tritt nichts in die Welt, was eine Handlung bewirken könnte, denn unsere Wünsche spiegeln das je persönliche Kaleidoskop des Erstrebens- und Begehrenswerten. Doch Wünsche allein führen noch nicht zu Handlungen. Es bedarf darüber hinaus auch eines Handlungswillens, einer Initialzündung, wenn man so will, um den gewünschten Zustand tatsächlich herbeizuführen. Dieser Handlungswille, mithin der Vorhof des Handlungsvollzugs, bildet sich erstens dadurch aus, dass zum bloßen Wunsch ein Wissen darüber hinzutritt, welche Wege zu seiner Realisierung offen stehe; zweitens dadurch, dass abgewogen wird, welche der möglichen Realisierungswege der tauglichste ist; und endlich drittens dadurch, dass es darauf aufruhend zu einer Handlungsentscheidung kommt, d. h., zur Beantwortung der Frage, ob die Realisierung des Wunsches, relativ zur Lebenswelt des Wünschenden, Sinn ergibt. Stellt sich daher die Frage, ob uns der gesunde Menschenverstand in der Tat dazu befähigt, unser Handeln sicher zu leiten. Wollten wir diese Frage mit Ja beantworten, so müsste er, dem Gesagten entsprechend, Folgendes zu bewerkstelligen vermögen: Er müsste erstens Erkenntnisse darüber liefern, auf welche Weise unsere jeweiligen Wünsche prinzipiell zu realisieren sind – er müsste uns also über die zur Verfügung stehenden Optionen Auskunft geben; zweitens müsste er uns zur Wahl des tauglichsten Weges verhelfen und endlich drittens müsste er uns zu einer Antwort auf die wohl wichtigste Frage führen, die wir auf dem Weg zu unseren Handlungen zu beantworten haben: Ist die Realisierung des zur Debatte stehenden Wunsches wirklich wünschenswert. Und all dies dürfte freilich nicht auf der Grundlage langwieriger Denkoperationen geschehen, nicht auf der Grundlage des Abwägens, des Prüfens, des Schließens und Ausschließens, sondern intuitiv, unmittelbar, ohne Zutun der überlegenden Vernunft, denn gerade hierin unterscheidet sich ja der gesunde Menschenverstand von den anderen Vermögen unserer Verstandestätigkeit. Nun gut: Es ist nicht ausgeschlossen, dass der gesunde Menschenverstand zu alldem imstande ist, aber ist es wirklich vernünftig, davon auszugehen? Vielleicht sagt Ihnen ja schon Ihr gesunder Menschenverstand, wie die richtige Antwort lautet, oder aber Sie besinnen sich einer Alternative, die Ihr Denkapparat bereitstellt. Ihre Wahl.


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